Nachhaltigkeit ist einer der Megatrends des 21. Jahrhunderts. In diesem Trend-Artikel zeigen wir Potenziale für die Bike- und Outdoor-Branche auf, sprechen über Greenwashing und Fails wie Ozean Plastik, sowie spannende neue Technologien. Zudem geben wir Impulse, mit denen wir jetzt eine bessere Zukunft gestalten können!

  1. Die Crux: Wie ist Konsum mit „gutem“ Gewissen möglich?
  2. Besser zu sein, reicht nicht – der Irrglaube der Bike-Welt
  3. Der Spagat der Bike-Industrie: Maximale Performance oder Nachhaltigkeit?
  4. Wie neue Entwicklungsschwerpunkte die Bike-Welt voranbringen und für mehr Fahrspaß und Kundenzufriedenheit sorgen können
  5. Nachhaltigkeit braucht neue Geschäftsmodelle
  6. Standards sind die neue Innovation – mehr Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Recycling
  7. Recycling und Ressourcenschonung: Circular Economy und Cradle-to-Cradle
  8. Nachhaltigkeit hat ihren Preis

Nachhaltigkeit ist in aller Munde – es gibt kaum eine Marke, die sich nicht gerne damit schmückt, indem sie „sich engagiert“ oder „auf dem Weg in eine bessere, grünere Zukunft ist“. Aber Vorsicht! Kaum ein Begriff wird von Politik, Marken und auch Konsumenten stärker verzerrt oder gar missbraucht. Natürlich gibt es auch viele tolle Initiativen und Lösungen, doch zwischen viel Greenwashing und Augenwischerei sind die wirklich nachhaltigen Lösungen oftmals kaum ersichtlich. Das mag daran liegen, dass sie kommunikativ wenig spektakulär oder die Zusammenhänge zu komplex sind, um sie in einer einfachen Botschaft zu verpacken. Beim Design & Innovation Award 2022 wurden ein paar pseudo-grüne Produkte eingereicht, aber auch einige sehr innovative und nachhaltige Produkte mit konkretem Mehrwert, welche die Award-Jury überzeugen konnten und eine spannende Rolle in den nächsten Jahren in der Bike- und Outdoor-Welt einnehmen werden!

Die Crux: Wie ist Konsum mit „gutem“ Gewissen möglich?

„Hergestellt aus Ozeanplastik“, „Enhanced Recycling“ – was einige Big Player verkünden, klingt wie der wahrgewordene Traum vieler Umweltschützer: Equipment, Verpackungsmaterialien und Kleidungsstücke aus recycelten Materialien, ohne Performance-Einbußen, aber dafür mit dem Versprechen, dass neue Produkte kreiert und gekauft werden können, ohne dabei neue Ressourcen zu verbrauchen. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ja, das ist es auch! Leider suggerieren aktuell viele Marken eine Nachhaltigkeit, die in der Realität noch nicht gegeben ist. Gerade im Fast-Fashion-Bereich setzen viele Marken noch einen drauf und vermitteln, dass man der Umwelt Gutes tut, je mehr Produkte man ihnen abkauft. Dabei haben bereits unzählige Wissenschaftler und Studien bewiesen, dass gerade die Verwendung von Ozean Plastik kaum mehr als ein Marketinggag ist. Häufig stecke nicht mal mehr als ein Prozent Plastikmüll aus dem Ozean in den neuen Produkten, weil das Recycling (noch) zu kosten- und energieintensiv sei. Eine bewusste Irreführung des Verbrauchers.

Leider suggerieren aktuell viele Marken eine Nachhaltigkeit, die in der Realität noch nicht gegeben ist. Im Greenwashing-Trubel der Nachhaltigkeit passieren viele paradoxe Dinge.

Aber nicht nur die schnelllebige Textilindustrie ist pfiffig, wenn es mit ungefähren Angaben darum geht, dem Konsumenten ein gutes Gewissen, ja manchmal gar eine moralische Überlegenheit zu vermitteln. Im Greenwashing-Trubel der Nachhaltigkeit passieren viele paradoxe Dinge. Ein greifbares Beispiel aus dem Automobilbereich: Neuwertige Autos, die noch lange nicht ihre Halbwertszeit überschritten haben, werden verschrottet, um Platz für das noch „grünere“ Auto zu machen. Der zusätzliche Verbrauch an Ressourcen, um das Hightech-Auto überhaupt herzustellen plus die ökonomischen Opportunitäten, die dadurch entstehen, dass das bestehende Auto lange vor seinem “Lebensende” verschrottet wird, werden dabei meist nicht beachtet. Hinzu kommt, dass dieses neue Auto mit noch mehr Technologie und noch mehr Features cleverer, sparsamer und umweltschonender sein soll. Dabei ist es in der Realität meist fehleranfälliger, schlechter reparierbar und aufgrund der komplexen Software- und Hardware-Technik selten über einen längeren Zeitraum in Gebrauch. Gerade im Software- und Connectivity-Bereich sind die Entwicklungssprünge derart groß und disruptiv, dass „ältere“ Produkte schon nach wenigen Entwicklungszyklen und entsprechend kurzen Zeiträumen nicht mehr upgedatet und nur noch eingeschränkt genutzt werden können.

Natürlich ist ein ressourcenschonend hergestelltes Produkt besser als ein ressourcenintensives Produkt. Aber ein recyceltes Produkt oder ein neu hergestelltes, nachhaltiges Produkt ist selten besser für die Umwelt als eines, das man bereits besitzt. Soll heißen: Wer „nachhaltig“ will, muss auf weit mehr achten als den Rohstoffverbrauch und die eingesetzten Materialien.

Das beste, was wir meistens machen können, ist, ein Produkt so lange wie möglich zu nutzen und richtig instand zu halten.

Für nachhaltigen Erfolg ist ein ganzheitlicher Ansatz wichtig: von der Herstellung und Produktion, über Transport, Packaging, Nutzungsverhalten, Reparierbarkeit und Nutzung(sdauer) bis hin zum Recycling. Doch davon sind die meisten Marken noch meilenweit entfernt. Übrigens genauso wir als Konsumenten, die nach wie vor lieber billig und zweimal kaufen als einmal auf richtige Qualität zu setzen und die Produkte gewissenhaft zu warten, instandzuhalten und zu pflegen. Die uns über viele Jahrzehnte anerzogene Konsum- und Wegwerfmentalität können wir nicht vom einen auf den anderen Tag ändern, dafür sitzt sie zu tief. Aber wir können sie dennoch ändern!

Es braucht zwangsläufig eine vom Endkonsumenten geänderte Nachfrage, die mittel- und langfristig Einfluss auf das Angebot hat. Deshalb ist das beste, was wir meistens machen können, ein Produkt so lange wie möglich zu nutzen und richtig instand zu halten – und zwar idealerweise eines, das wir bereits besitzen! Und falls wir das noch nicht tun, sollten wir uns beim Kauf nicht von günstigen Angeboten, Billigprodukten oder teuren grünen Verpackungen mit zahlreichen Nachhaltigkeitsversprechen locken lassen. Vielmehr ist es wichtig, sich richtig über das Produkt zu informieren und auf Qualität, Halt- und Reparierbarkeit wert legen, um eine möglichst lange Nutzungsdauer zu avisieren. Auch wenn niedrige Preise und Aktionen erst einmal verlockend erscheinen, zahlt man – und die Umwelt – mittelfristig meist mehr, da man aufgrund kürzerer Lebensdauern ständig nachkaufen oder teure Reparaturen durchführen muss.

Für mehr Nachhaltigkeit müssen wir nicht zum Mond fliegen oder auf Übermorgen warten – mit kleinen Veränderungen können wir als Konsumenten genauso wie die Outdoor- und Bike Industrie bereits viel bewirken

Auch wenn es verlockend erscheinen mag: lasst euch nicht von Marketing-Versprechen blenden. Insbesondere die CO2-Kompensation sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass faktisch Ressourcen verbraucht werden und in manchen Fällen kann selbst der Anbieter die tatsächliche Kompensation nicht einmal belegen. Die gute Nachricht: Einige visionäre Unternehmen tüfteln schon an neuen Fertigungsverfahren, die technologisch, ökonomisch und ökologisch bei Weitem die aktuellen Methoden übertreffen. Doch auch ohne Innovationen und neue Fertigungsverfahren lässt sich bereits vieles bewirken, indem Hersteller einen Paradigmenwechsel in ihren Produktentwicklungen sowie Vermarktungsstrategien vollziehen.

Besser zu sein, reicht nicht – der Irrglaube der Bike-Welt

Bei einigen CEOs der Bike-Welt herrscht nach wie vor der Irrglaube, man sei bereits deshalb nachhaltig, weil Bikes Autos ersetzen können und damit per se besser für Umwelt und Klima seien. Das gilt auch für viele leidenschaftliche Biker, die über SUVs fluchen, dann aber im ähnlich großen und ähnlich spritverbrauchenden Van Tausende Kilometer in den Bike-Urlaub fahren. Keine Sorge: Wir wollen hier weder haten noch und den Spaß im Leben verbieten. Schließlich shredden wir genauso gerne Trails in Finale Ligure, knallen mit dem Carbon-Rennrad über die epischen Straßen von Mallorca oder nutzen beim Städtetrip in Zürich gerne die unterschiedlichsten Mobilitätsangebote. Es geht nicht darum, den Konsum und Ressourcenverbrauch zu diabolisieren, sondern vielmehr zu reflektieren und anzuerkennen, was schlichtweg die Realität ist.

Das Fahrrad in all seinen Facetten ist für viele nicht nur ein Fortbewegungsmittel, sondern vor allem ein Hobby. Beides ist für den Menschen gleichermaßen wichtig – einmal um zum Beispiel zur Arbeit zu kommen oder Lebensmittel einzukaufen, im anderen Fall als sportliche Betätigung für Spaß und Lebensfreude und damit auch für die mentale und körperliche Gesundheit.

Damit besitzt das Fahrrad eine zentrale Funktion in der Gesellschaft und im Alltag vieler Menschen und bietet den Vorteil, dass die Nutzung beispielsweise im Vergleich zum Auto sehr ressourcenschonend ist. Das Problem ist jedoch, dass viele Bike-Produkte so konstruiert sind, dass der Verschleiß – und damit der Ressourcenverbrauch – deutlich höher ausfällt, als er müsste. Das gilt nicht nur für billige (E-)Bikes, sondern auch für die ultimativen High-End-Bikes, die kompromisslos auf maximale Performance getrimmt sind. Ein Produkt für den konsequenten Renneinsatz ist logischerweise nicht für den Alltagseinsatz konstruiert. Die Krux hierbei: Sex Appeal, Begehrenswürdigkeit und Präsenz im Marketing der Brands sind eben bei genau diesen Produkten am größten, obwohl sie im Anwendungsbereich ein absolutes Nischendasein fristen.

Der Spagat der Bike-Industrie: Maximale Performance oder Nachhaltigkeit?

Ob MTBs, E-Mountainbikes oder Rennräder – nach wie vor kämpfen die Entwicklungs-, Marketing- und Verkaufsabteilungen der Hersteller um Superlative. Seit Jahrzehnten ist die Bike-Welt auf Performance versessen. Alle wollen schneller, höher, weiter, leichter, effizienter und in letzter Zeit auch spaßiger. Aber was, wenn der Fun bei einem Defekt nach einigen Monaten – oder sogar Tagen – ganz schnell zu Ende ist? Was, wenn das 15.000-€-Rennrad bereits nach kurzer Zeit zu knarzen beginnt, weil es für maximale Performance bei Rennen und nicht für Langlebigkeit im Alltag konstruiert wurde? Was, wenn der Service „suckt“ und man als Kunde wochenlang auf Ersatzteile oder Antworten des Herstellers warten muss? Liegt der Fokus der Bike-Welt zu stark auf dem Glamour der Höchstleistungen, den Marginal Gains und einer nie enden wollenden Performance-Steigerung, statt die simplen Probleme der breiten Masse an „normalen“ Usern zu lösen?

Was bringen 8,713 % mehr Hinterbau-Performance, wenn die Lager des komplexen Mountainbike-Hinterbaus nach spätestens einem halben Jahr ausgeschlagen sind? Oder wenn mehr als 80 % der Biker die volle Fahrwerks-Performance durch fehlende Kenntnisse über das perfekte Set-up gar nicht ausnutzen können? Als Biker haben wir den Luxus und das Privileg, fast genau das gleiche Material zu fahren, das die EWS-Topathleten, Tour de France-Sieger, Olympioniken und Weltcup-Stars bei ihren übermenschlichen Höchstleistungen einsetzen. Das ist faszinierend und sexy zugleich, hat aber meistens einen Haken: Dieses Material ist auf maximale Performance und intensiven Service durch Profi-Mechaniker ausgelegt, seltenst auf maximale Zuverlässigkeit und Haltbarkeit. Spitzen-Performance im Alltagsbereich bringt der breiten Masse an Usern kaum etwas, vor allem dann, wenn ein komplexes Setup und viel Pflege nötig sind. Schon immer hat man viele Biker mit falschem Set-up über Trails und Bikepark-Strecken fahren sehen und in jüngster Bike-Boom-Zeit noch mehr.

Wie neue Entwicklungsschwerpunkte die Bike-Welt voranbringen und für mehr Fahrspaß und Kundenzufriedenheit sorgen können

Die gute Nachricht lautet: es gibt Lösungen für mehr Nachhaltigkeit, die wir sofort umsetzen können. Die selbstgesteckten Entwicklungs- und Marketingschwerpunkte der Hersteller spielen hierbei eine große Rolle.

Längere Produktzyklen = bessere Amortisation

Bei vielen Herstellern galt bislang das, was man von Fast Fashion kennt: Jeder neue Trend muss aufgenommen und umgesetzt werden. Sprich: neues Jahr, neue Innovationen, neue Modelle. Kurze Produktzyklen sind in der Bike-Industrie noch immer häufig anzutreffen, auch wenn zahlreiche Hersteller sich verstärkt von den klassischen Modelljahren zu verabschieden versuchen. Die Kunden und damit auch die Industrie selbst rennen in einem sich immer schneller drehenden Hamsterrad auf der Suche nach minimalen Verbesserungen, neuen Farben und dem Hype um den krassesten Shit. Dass das nicht nachhaltig sein kann, liegt auf der Hand. Denn viel Konsum bedeutet viel Ressourcenverbrauch!

Neue Schwerpunkte in der Produktentwicklung

Indem einzelne Hersteller bzw. am besten ein Großteil der Bike-Industrie neue Entwicklungsziele etablieren, kann sich vieles verbessern. Sobald Reparierbarkeit, Langlebigkeit und einheitliche Standards einen höheren Stellenwert einnehmen als die Non-plus-ultra-Performance gibt es mehrere direkte positive Resultate: Weniger Pannen, mehr bzw. länger anhaltenden Fahrspaß, weil die Produkte einfach länger halten, sowie mehr passende Ersatzteile durch Standards und eine einfachere Reparierbarkeit. Mehr Haltbarkeit würde zudem die überlasteten Bike-Shops und viele Service-Probleme zahlreicher Hersteller lösen.

Die gute Nachricht: Indem wir unseren Entwicklungs- und Kommunikationsfokus nur leicht verändern, können wir bereits vieles bewegen und Biken nachhaltiger machen. Damit hat die Bike-Industrie es in der Hand, Veränderungen einzuläuten, braucht dazu aber auch die Konsumenten, die die entsprechenden Produkte kaufen, statt nach Performance-Superlativen und neuen Modellen im Jahresrhythmus zu gieren.

Nachhaltigkeit braucht neue Geschäftsmodelle

Nun mag es paradox erscheinen, dass Marken ihre Kunden dazu erziehen sollen, weniger Produkte zu kaufen. Fakt ist aber auch: die Bedürfnisse und Ansprüche der Kunden verändern sich – nicht zuletzt durch die Elektrifizierung und die neuen Zielgruppen. Viele Biker kaufen die Mercedes und Porsches unter den Bikes – erwarten jedoch die Service-Kosten eines VW-Polos. Dass das in der Praxis nicht aufgeht und vor allem den raffinierten High-End-Komponenten nicht gerecht werden kann, liegt auf der Hand.

Don’t join the Do Nothing Club – wer sich als Bikemarke für die Zukunft gut und nachhaltig aufstellen will, muss auch sein Geschäftsmodell durchleuchten. Wie lässt sich wirtschaftlich arbeiten, wenn Stückzahlen bzw. Verkaufsrekorde nicht mehr die Maxime sind?

Das heißt, auf der einen Seite braucht es mehr Aufklärung für das Thema Service und die Kosten, die die Wartung und Instandhaltung der High-Tech-Komponenten verursachen. Auf der anderen Seite müssen Marken ihre Geschäftsmodelle anpassen, vielleicht ähnlich wie die Automobilindustrie, die häufig nicht mit dem Autoverkauf, sondern beim Service und After-Sales das Geld verdient. Bislang ist das Thema Service das ungeliebte Kind der Bikebranche, kaum ein Hersteller oder Direktversender ist in diesem Bereich gut aufgestellt und traut sich, margenreiche Preise aufzurufen. Digitale Dienstleistungen und Zusatzfeatures können ebenfalls spannend für neue Geschäftsmodelle sein.

Standards sind die neue Innovation – mehr Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Recycling

Die Entwicklung moderner Elektronikgeräte erscheint wie das Anti-Beispiel in Sachen Nachhaltigkeit. Konnte man früher bei einem iPhone oder MacBook noch den Akku selbst tauschen und einzelne Komponenten auswechseln, ist dies heutzutage kaum mehr möglich, ohne dass die Garantie erlischt. Die gleiche Entwicklung sieht man in fast allen Bereichen – von Automobil bis Fahrrad. Der Herstellungsprozess wird umweltschonender gestaltet, aber die Wartung und Instandhaltung eines Produkts kann kaum mehr selbst durch den Nutzer durchgeführt werden. Der Grund liegt auf der Hand: Die zunehmende Elektrifizierung, eine wachsende Anzahl an Features sowie Spezialkomponenten und deren Integration machen die Produkte immer komplexer.

Die Lebensdauer, Qualität und Reparierbarkeit eines Bikes sollten mindestens genauso wichtige Verkaufsmerkmale sein wie dessen Performance.

Die Festlegung von Standards ist eine große und wichtige Chance für die Branche, um nachhaltiger zu werden und auch das aktuelle Wachstum gut zu bewältigen. Die Lebensdauer, Qualität und Reparierbarkeit eines Bikes sollten mindestens genauso wichtige Verkaufsmerkmale sein wie dessen Performance. Hersteller müssen einen größeren Fokus auf die leichte Ersatzteilbeschaffung, das simple Instandhalten und den zusätzlichen Schutz der Bikes legen, wie ab Werk angebrachte Lackschutzfolie, austauschbare Kunststoffteile und längere Wartungszyklen.

Dazu gehört auch, die Kunden über Wartung und Wartungsintervalle stärker aufzuklären. Denn die richtige Wartung sorgt nicht nur für Werterhalt, sondern auch für mehr Langlebigkeit, bessere Performance und längeren Fahrspaß. Es muss attraktiver sein zu reparieren als neu zu kaufen – hierbei hilft eine Simplifizierung durch mehr Standardteile, eine bessere Ersatzteilversorgung und leichtere Reparierbarkeit der Produkte. Die Möglichkeit, Produkte z.B. für mehr Performance upzugraden statt sie komplett auszutauschen bringt ebenfalls Vorteile. Bei elektronischen Komponenten kann dies auch durch digitale Upgrades der Software, sowie Zusatzfeatures sein.

Größere Stückzahlen sorgen dafür, dass sich über die Jahre gewachsene Firmen neu organisieren müssen und auch immer mehr Konzerne wittern das Geschäft. Das sorgt dafür, dass immer mehr Modellplattformen entstehen, um Entwicklungskosten zu sparen und um Service, Ersatzteilversorgung und Margen zu garantieren. Dieses neue Interesse an Standards – wie wir sie auch aus der Auto-Industrie kennen – können dem Endkunden eine leichtere Ersatzteilbeschaffung bescheren, eine simplere Reparierbarkeit sicherstellen und im besten Fall auch für eine höhere Haltbarkeit sorgen.

Recycling und Ressourcenschonung: Circular Economy und Cradle-to-Cradle

Es gibt bereits diverse Lösungskonzepte für eine neue und nachhaltige Wirtschaft. Circular Economy und Cradle-to-Cradle sind dabei die zwei populärsten Ansätze, welche sich an den Prinzipien der Natur orientieren und in den nächsten Jahren für einige tiefgreifende Veränderungen in der Produktentwicklung und der gesamten Wirtschaft sorgen können – sofern ein Umdenken bei den Stakeholdern erfolgt: Das beginnt bei der Entwicklung, dem Einsatz der richtigen Materialien und regenerativer Energiequellen bis hin zu den Herstellungs- und Rücknahmeprozessen.

Die Kreislaufwirtschaft (eng. Circular Economy) will den Ressourceneinsatz sowie die Abfallproduktion auf ein Minimum reduzieren, indem sie Materialkreisläufe optimiert. Das Cradle-to-Cradle-Prinzip, was wörtlich übersetzt „von der Wiege zur Wiege“ bedeutet, setzt nochmal einen drauf und hat das Ziel, einen nahezu perfekten Kreislauf zu erreichen. Sprich, die Rohstoffe, die für die Herstellung eines Produkts verwendet werden, sollen nach erfolgreichem Recycling erneut verarbeitet und wiederverwendet werden, um Müll zu vermeiden.

Kritiker sehen in beiden Konzepten zu tiefgreifende Prozesse, die zu kostenintensiv und für einige Industriezweige nicht umsetzbar seien. Wirtschaftlich sei die Aufbereitung der Materialien zu teuer und zu energieintensiv – bestes Beispiel ist Ozean Plastik, sodass es mehr Sinn mache, mit neuen Ressourcen neue Produkte herzustellen. Außerdem werde der Überkonsum dadurch nicht reduziert, da der Irrglaube bei manchen vorherrscht, dass man durch den Kauf von mehr nachhaltigen Produkten der Umwelt etwas Gutes tue. Faktisch bedeutet aber jeder Kauf einen Ressourcenverbrauch.

Voraussetzung für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ist, dass sich auch im Bikebereich die Ausgangsmaterialien ändern und Produkte teilweise smarter und simpler konstruiert werden. Legierungen – z. B. von Alu-Rahmen oder Laufrädern – sind beispielsweise problematisch, da deren Aufbereitung schier unmöglich bzw. energetisch nicht sinnvoll sind. Noch kritischer ist Carbon. Denn das ist aktuell vor allem eines: Sondermüll.

Die gute Nachricht: Die Kreislaufwirtschaft ist keine Zukunftsmusik, sondern bereits jetzt möglich. Im urbanen Bereich initiiert z. B. das Frankfurter Unternehmen Advanced eine Revolution mit einem Composite-Spritzgussverfahren, mit dem sie aus Granulat E-Bike-Rahmen herstellen. Nicht nur fertigungstechnisch und kostenmäßig ist dieser in 90 Sekunden produzierte Rahmen besser, sondern er ist es auch fahrdynamisch! Die hohe Eigendämpfung sorgt für hohe Fahrstabilität, viel Komfort und Sicherheit. Durch regionales Sourcing, kürzere Lieferketten, deutlich geringere Produktionskosten, deutlich weniger CO2-Emission und vollständige Recycelbarkeit verspricht der Ansatz von Advanced einen Quantensprung. Inwiefern sich diese Technologie auf das Performance-Segment übertragen lässt, wird sich zeigen.

Auch der schwedische Equipment- und Bekleidungshersteller POC befasst sich intensiv mit diesem Thema und ist dabei, neue Produkte zu lancieren. Das Design & Innovation Award Team durfte bereits erste Produkte testen, allerdings können wir darüber noch nicht berichten, da die Produkte noch nicht offiziell vorgestellt wurden.

Überraschend: Die meisten nachhaltigen Konzepte kommen nicht aus den naturverbundenen Disziplinen wie etwa (E-)Mountainbiken, Gravel oder Rennrad, sondern aus dem urbanen Segment. Vielleicht auch deshalb, weil dort die maximale Performance weniger wichtig und andere Kriterien weitaus bedeutender sind! Wir werden sehen, ob sich die Innovationen auch auf die Passion-Segmente (E-)Mountainbiken, Gravel und Rennrad übertragen werden.

Nachhaltigkeit hat ihren Preis

Solange wir leben, können wir den Ressourcenverbrauch nicht eliminieren. Das Leben ist zu vielseitig und aufregend, um es zu verbieten. Vielmehr erfordert unsere Zeit, dass wir nicht so weitermachen wie bisher, sondern eine neue Balance finden.
Im aktuellen Nachhaltigkeitstrend gibt es teils haarsträubende Marketingaktionen, paradoxe Entwicklungen und kurzfristig gedachte Maßnahmen, die schön klingen, am Ende an Scheinheiligkeit oder Sinnlosigkeit aber nicht zu überbieten sind.
Die gute Nachricht lautet jedoch: Wir müssen nichts greenwashen, sondern können mit kleinen Veränderungen Großes bewirken.

Mit einem bewussteren Konsum, d. h. auch unseren Kreditkarten, sowie unserem Nutzungsverhalten können wir als User Initiativen und Unternehmen unterstützen, die sich engagieren. Dazu braucht es mutige Medien und Dritte, die das im Faktencheck prüfen und aufklären. Auch als Design & Innovation Award, der sich nicht nur mit den neuesten Produkten, sondern auch Trends befasst sehen wir für uns eine wichtige Funktion für die Zukunft.

Die (Bike-)Industrie ist nun gefragt, neue Entwicklungsschwerpunkte, neue Standards und neue Recyclingmethoden zu etablieren und ihre Geschäftsmodelle so weiterzuentwickeln, dass ein potenziell geringerer Konsum dennoch wirtschaftlich bleibt. Denn wenn etwas der Umwelt schadet, dann ist es der Exzess, der Überkonsum, wie wir es von Fast Fashion kennen und das Hamsterrad immer schneller drehen lässt.

Wahre Nachhaltigkeit erfordert einiges von uns – aber es ist wie ein Marathon: Das Ziel scheint weit entfernt, aber solange wir nicht die ersten Schritte in die richtige Richtung machen, kommen wir nie an. Also lasst es uns anpacken!

Words: Robin Schmitt Photos: Diverse