Wie beeinflusst der Bike-Boom von 2020 die Gravel-Bikes von 2021? Was werden wir fahren und welche eindeutigen Trends für kommende Bike-Modelle kann man erkennen? Wir haben für euch die heißesten Gravel-Trends 2021 zusammengefasst und sagen euch, wo Risiken und Chancen für Neueinsteiger und Schotter-Veteranen liegen. Bereit?

Im Rahmen des Design & Innovation Award 2021 haben sich die Award-Jury, internationale Experten und Journalisten ausgiebig mit den Trends und übergeordneten technologischen Entwicklungen der neuen Saison befasst – in diesem Artikel geht es spezifisch um die Gravel-Trends 2021. Weitere Trends findet ihr am Ende des Artikels.

Gravel ist mehr als Schotter – und das eine Gravel-Bike gibt es schon lange nicht mehr! .

Gravel-Bikes sind Hype und liegen voll im Trend. Doch Gravel-Bike ist nicht gleich Gravel-Bike! Der Markt hat von gezielt optimierten Speziallösungen bis hin zu facettenreichen Allroundern alles zu bieten, was das Herz begehrt. Wohin geht es 2021?

Gravel-Bikes als Spezialisten

Eine ganze Weile hat es Bike-Herstellern genügt, ein einziges Gravel-Bike im Portfolio zu haben. Allround-Eigenschaften hatten dabei scheinbar alle Modelle. Zwar gab es bereits zu dieser Zeit gehörige Unterschiede zwischen den Gravel-Interpretationen der Marken, doch hat sich gerade in den vergangenen Monaten noch mal einiges getan: Der Markt für Gravel-Bikes entfernt sich von seinem „Ein-Bike-für-alles“-Ansatz hin zum feingliedrig segmentierten Massenmarkt. So gibt es vom Gravel-Bike für den leichten MTB-Trail-Einsatz bis zur Zeitfahr-Schotter-Maschine kaum noch etwas, was es nicht gibt. Für den Gravel-Fan auf der Suche nach seinem perfekten Begleiter ist das natürlich Fluch und Segen zugleich! Denn scheinbar reicht es plötzlich nicht mehr aus, ein Rad fahren zu wollen, das einfach jedes Abenteuer mitmacht. Stattdessen hat man das Gefühl, man müsse sich als Gravel-Racer, -Genussfahrer, -Abenteurer oder -Pendler einordnen lassen. Gleichzeitig bieten speziell optimierte Fahrradmodelle natürlich deutliche Vorteile für spezialisierte Fahrer, die genau wissen, was sie wollen. Klar ist jedenfalls: Gravel ist längst kein Hype mehr, sondern Big Business!

Gravel-Bikes als Generalisten

Im starken Kontrast zur fortschreitenden Spezialisierung von Gravel-Bikes steht ihr Ruf, genau die Unbeschwertheit zu verkörpern, die man in diesen Zeiten nur allzu oft vermisst. Gravel-Bikes sind mittlerweile fast schon synonym mit einem Lifestyle und einer Einstellung zum Radfahren, die ohne Schranken, Vorurteile und Pseudo-Reglementierungen auskommt. Das Gravel-Bike als Fluchtfahrzeug, auf dem man sich komplett selbst verwirklichen kann und das auf der 12 km langen Schotterhausrunde genauso gut funktioniert wie auf einem epischen Trail-Abenteuer in den Dolomiten. Auch hier kommt euch der technische Fortschritt zugute, denn durch neue Entwicklungen im Komponentenbereich und überarbeitete Geometrien können moderne Gravel-Bikes einen sehr großen Einsatzbereich abdecken, der auch mal links oder rechts des Spezialgebiets liegen kann. Spezialisierte Generalisten!

Gravel-Bikes als Expeditionsmobile

Wie wandlungsfähig Gravel-Bikes sein können, zeigt auch die derzeitige Entwicklung im Bikepacking-Bereich. Kamen hier lange Zeit überwiegend Mountainbikes zum Einsatz, sind es nun vermehrt Gravel-Bikes, die für die kleinen und großen Abenteuer genutzt werden. Dabei ist der Grat allerdings sehr schmal zwischen Gravel-Bikes, die spezifisch fürs Bikepacking optimiert wurden, und perfekten Gravel-Allroundern, die sich auch fürs Bikepacking eignen. Wer dazu mehr erfahren will, findet hier den großen Bikepacking-Bike-Vergleichstest im GRAN FONDO Cycling Magazin.


Die zwei Seiten des Gravel-Bike-Booms

Der wohl größte Trend fürs neue Jahr hat sich bereits 2020 gezeigt: Das Fahrrad ist als Abenteuermobil, Fortbewegungsmittel und Sportgerät so angesagt wie nie. Der Wachstums-Boost bringt neue Menschen aufs Bike, lässt so manchen die Passion fürs Rad wiederentdecken und sorgt letztlich dafür, dass die Bike-Shops vielerorts wie leer gefegt sind. Die Bike-Hochkonjunktur wird auch im neuen Jahr weiter anhalten – zusammen mit Lieferengpässen bei Zulieferern, teilweise unterbrochenen Supply-Ketten und verzögerten Neuentwicklungen. Das alles führt voraussichtlich nicht nur zu einer schlechten Verfügbarkeit vieler Produkte, sondern auch zu steigenden Preisen. Doch nicht nur der Bike-Kauf selbst, auch die Wartung des Rads und etwaige Service-Ansprüche werden im kommenden Jahr ein gehöriges Maß an Geduld verlangen. Die Chancen stehen jedoch gut, dass die Bike-Industrie aufgrund all dieser Herausforderungen ein neues Professionalitätslevel erreicht und wir uns mittelfristig über deutlich besseren Service und ein Kauferlebnis wie im Automotiv-Bereich freuen dürfen. Wer mehr Hintergrundinfos zu den Industrie-Entwicklungen, Herausforderungen und Chancen erfahren möchte, findet dazu in einem extra Artikel des E-MOUNTAINBIKE Magazins alle Informationen.

Die steigende Zahl an Bikern gibt unserer Passion gesellschaftlich deutlich mehr Gewicht. Schon heute zeigen Studien, dass mehr Menschen aktiv Rad fahren als Fußball spielen. Von einer Verkehrswende kann und soll hier jedoch nicht die Rede sein. Mancherorts kommt es bereits jetzt zu abenteuerlichen Verkehrssituationen. Das Gravel-Bike bietet hier eine perfekte Möglichkeit, den überlasteten Wegenetzen zu entfliehen und im puren Bike-Genuss zu baden. Zweifelsohne ist es damit das perfekte Bike mit Rennlenker für 2021!


Size up

Im allgemeinen Bike-Boom 2020 gehörten Gravel-Bikes gleich hinter E-Bikes zu den größten Anziehungspunkten für Neueinsteiger. Fakt ist aber: Die Lust auf ein ungefiltertes Naturerlebnis trifft häufig auf wenig Fahrerfahrung im Gelände. Wer sich auf die Natur statt auf das Fahren konzentrieren will, benötigt ein Bike mit viel Laufruhe und eine Extraportion Vertrauen ins Bike. Bedürfnisse, auf die Bike-Hersteller bereits reagiert haben und zukünftig verstärkt reagieren werden. Die häufig vom Mountainbike-Bereich inspirierten technischen Features, Technologien und Geometrien finden im Gravel-Bereich eine absolut sinnvolle Applikation.

Eine Frage der Größe – „State-of-the-Art“-Gravel-Geometrie

Wenn es um die Rahmengröße des Traum-Gravel-Bikes geht und man genau an der Grenze zwischen zwei Größen steht, greifen viele Ambitionierte traditionell zum kleineren Rahmen und gleichen die fehlenden Millimeter durch einen längeren Vorbau aus. Für Gravel-Racer und sehr sportive Fahrer mag diese Faustregel weiterhin funktionieren, bei Hobby- sowie Genussfahrern und allen, die ihr Bike auch offroad voll ans Limit bringen wollen, sieht es jedoch anders aus. Denn gerade im Gelände zählt für viele ein Plus an Laufruhe und Sicherheit. Immer häufiger setzen Hersteller daher auf längere Rahmen mit mehr Reach und einem größeren Radstand. Kompensiert wird die Länge des Bikes durch einen kürzeren Vorbau. Wie bei Mountainbikes ermöglicht dieser Kniff eine bessere Balance aus Laufruhe und Agilität im groben Gelände und eine aufrechtere und damit entspanntere Sitzposition.

An der wortwörtlichen Verlängerung des Gravel-Bikes wird wieder einmal deutlich: Es ist das Bindeglied zwischen Rennrad und MTB und entsprechend entwickeln sich die Geometrien auch inmitten genau dieser beiden Einflussreiche weiter. To be continued in 2021!

2021 gibt es große Bremsscheiben am Gravel-Bike

Beim Blick auf den bisherigen Markt für Gravel-Bikes stellt man fest, dass viele Bikes mit unterdimensionierten Bremsscheiben ausgeliefert werden – das ist nicht nur in Sachen Sicherheit unverständlich. Die wenigen Gramm Gewichtsersparnis resultieren in deutlich geringerer Bremsperformance. Egal ob für Flachland-Graveller, die nur gelegentlich Höhenmeter machen, oder für alpine Schotter-Fans: je größer die Bremsscheibe, desto größer der Schutz vor dem Überhitzen der Bremse auf langen Abfahrten. Davon profitiert nicht nur die bloße Bremspower, sondern auch ihre Dosierbarkeit. Ein deutliches Plus an Sicherheit, das im Großen und Ganzen nicht ins Gewicht fällt und glücklicherweise 2021 von immer mehr Bike-Brands ab Werk angeboten wird. Hier ist ein deutlicher Zusammenhang zu erkennen zwischen modernen Geometrien, den damit verbundenen neuen Möglichkeiten und den Updates seitens der Komponenten: Es wird aufgerüstet für ein noch höheres Spaß-Level bei gleichzeitig steigender Sicherheit.

Gravel-Reifen werden breiter

War für Gravel-Reifen in 700C lange Zeit der Bereich zwischen 37 und 40 mm Breite angesagt, geht der Trend 2021 zu deutlich breiteren Reifen. Aktuell bieten Breiten zwischen 40 und 42 mm den größten Kompatibilitätsbereich und passen in die meisten Gravel-Bikes. Moderne Gravel-Rahmen weisen jedoch häufig eine Baufreiheit für Pneus mit bis zu 700 x 47C auf. Der Vorteil? Einfach gesagt bedeutet ein Reifen mit mehr Volumen ein höheres Level an Komfort. Gleichzeitig verbessert sich durch die größere Auflagefläche der Grip und damit die Traktion im Grenzbereich. Breitere Reifen haben außerdem den Vorteil, dass sie im Gelände und auf losen Untergründen einen geringeren Rollwiderstand haben. Aufgrund moderner Reifentechnologien können Hersteller die Vorteile breiterer Pneus ausnutzen und ihre negativen Aspekte minimieren. Ein zu hoher Rollwiderstand auf der Straße, zu hohes Gewicht und ein schwammiges Fahrgefühl gehören mehr und mehr der Vergangenheit an. Perspektivisch wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach 700 x 45C als neue Kerngröße bei Gravel-Reifen etablieren. Wer diese Reifendimension noch nicht probieren konnte, dem sei gesagt: Die dicken Dinger sind schon ’ne coole Nummer und machen in Kurven und auf ruppigen Untergründen richtig Laune!


Gravel goes MTB – Gedämpfte Federung am Gravel-Bike

Indem sich das Rad der Zeit immer weiterdreht, kommt es irgendwann wieder am Anfang an und beginnt von vorne. Genau an diesem Punkt befindet sich gerade ein Teil des Gravel-Bike-Marktes. Vergleicht man Gravel-Maschinen mit Federgabel und Dropper Post mit den Mountainbikes der 90er-Jahre, sind die konzeptionellen Unterschiede kaum noch vorhanden: John Tomac fuhr auf dem Yeti C-26 mit Rennlenker, großvolumigen Reifen und 40 mm Federweg an der Front von Sieg zu Sieg im Weltcup. Die Vielseitigkeit moderner Interpretationen dieses Konzepts übertrifft die damaligen Modelle zwar um Längen, aber ein superleichtes und vollgefedertes Cross-Country-Mountainbike ist oft nicht weit entfernt von den progressivsten aktuellen Gravel-Bikes. Während dieser Trend kritisch hinterfragt werden kann, zeigt er doch, welche technischen Möglichkeiten Hersteller bereits heute haben. Bewegen wir uns auf das ultimative Offroad-Bike zu, das den XC-Worldcup und Events wie das Dirty Kanza gewinnen kann? Wer weiß. Fakt ist: 2021 werden wir weitere Gravel-Neuvorstellungen mit innovativen Federungselementen sehen und live miterleben können, wie weit der Einsatzbereich eines Gravel-Bikes noch ins MTB-Territorium verschoben werden kann.


Gegentrend zum Leistungsdruck: Gravel-Bikes sind für Antihelden und Abenteurer

Auch wenn sich Gravel-Bikes performanceorientierten XC-Bikes immer weiter annähern, bleiben signifikante Unterschiede bestehen. Zum Beispiel der Spirit. Jahrelang ging es im ambitionierten Fahrrad-Segment der Rennlenker um „marginal gains“, Watt, Effizienz und „unfair advantages“. Und heute? „Made to lose“ – so lautet die aktuelle Gravel-Kampagne eines renommierten Bike-Herstellers. Sie steht sinnbildlich für den Gravel-Spirit aller Antihelden, die sich nichts mehr beweisen müssen und sich im Erlebnis verlieren wollen.


E-Gravel-Bikes sind 2021 heißer denn je – und eröffnen vielen (Neu-)Einsteigern die Welt des Gravel-Bikens!

Der Siegeszug elektronisch unterstützter Bikes macht nach der Eroberung des Mountainbike-, Urban- und Trekkingrad-Markts auch vor den Bikes mit Rennlenker nicht Halt! Mit dem E-Gravel-Bike lässt sich der Bewegungsradius deutlich vergrößern. Vorher unbezwingbare Anstiege sind kein Problem mehr und auch größere Tagestouren rücken plötzlich in den Bereich des Machbaren. Rechtlich darf ein E-Motor in Europa ein Bike bis 25 km/h unterstützen – eine perfekte Geschwindigkeit auf Schotter und abseits befestigter Straßen, da die Durchschnittsgeschwindigkeiten mit dem Gravel-Bike ohnehin oftmals darunter liegen. Immer kleinere, besser integrierte und kraftvollere Antriebssysteme werden ihren Weg in neue E-Gravel-Bikes finden. Schnallt euch an!


2-fach-Schaltungen – Totgeglaubte leben länger

Die Frage nach der Ganganzahl ist mittlerweile out. Die neue Kennziffer ist die Gangbandbreite. Seit Jahren haben 1-fach-Schaltungen, also Schaltungen ohne Umwerfer und mit nur einem Kettenblatt in der Front den Gravel-Markt erobert. Doch nun, so scheint es, steht eine neue Revolution an: 2-fach Schaltungen könnte ein neuer Siegeszug gelingen, allerdings weiterhin mit nur einem Kettenblatt in der Front, dafür jedoch mit einer 2-stufigen Nabenschaltung.

Eine gut abgestimmte 2×11- bzw. 2×12-Schaltgruppe erweitert den Einsatzbereich eines Bikes enorm. Die kleineren Gangsprünge sorgen für optimale Performance im weniger anspruchsvollen Gelände und moderne Schaltwerke mit Clutch-Mechanismus vermeiden das Abspringen oder das Klappern der Kette, wenn es ruppig wird. Schaltgruppen mit 1-fach-Antrieben sind die erste Wahl für alle, die oft im rauen Gelände unterwegs sind und intuitive Schaltlogiken sowie eine cleane Optik bevorzugen. Mit den riesigen 10–52-T-Kassetten vieler SRAM-Schaltgruppen bieten sie ein Übersetzungsverhältnis von bis zu 520 %. Auch Mitbewerber Shimano bietet eine Kassette mit gigantischer 10–51-T-Bandbreite an. Der Einsatzbereich ist mit diesen Kassetten sehr breit gefächert, obwohl man nur ein Kettenblatt nutzt – aber die Gangsprünge fallen deutlich größer aus. Wer überwiegend auf kompakten Untergründen unterwegs ist und eine feine Abstufung der Schaltgruppe bevorzugt, um immer im richtigen Gang zu sein, wird mit einem 2-fach-Antriebssetup sehr gut beraten sein. Ab sofort muss man dafür nicht mal mehr die Kompromisse hinnehmen, die ein Umwerfer mit sich bringt! Denn mit der Neuentwicklung von Classified wird er obsolet – die innovative Getriebenabe übernimmt die Über- bzw. Untersetzung und ist sogar in elektronische Schaltgruppen von Shimano implementierbar. Das Beste aus beiden Welten und eine technische Lösung, wie wir sie 2021 mit Sicherheit an einigen Bikes sehen werden.

Hier gibt es alle Trends der Bike-Branche für 2021:
Mountainbike Trends 2021 | Rennrad Trends 2021 | Urban Trends 2021
Technology Trends 2021 | Gravel Trends 2021 | E-MTB Trends 2021

Words: Benjamin Topf Photos: Valentin Rühl, Benjamin Topf